Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft muss sich für die inhaftierten iranischen Wissenschaftler einsetzen

Iranische Forscher sind gefährdet wie nie zuvor. Die Regierungen drängen auf stille Diplomatie. Doch ein neues Buch zeigt, warum öffentliche Kampagnen wichtig sind.

Für einen allzu kurzen Zeitraum im vergangenen Monat sah es so aus, als könnte Morad Tahbaz, Mitbegründer der Naturschutzorganisation Persian Wildlife Heritage Foundation in Teheran, nach vier Jahren Gefangenschaft im Iran nach Hause zurückkehren. Tahbaz‘ Organisation hatte den vom Aussterben bedrohten Asiatischen Gepard (Acinonyx jubatus venaticus) durch das Aufstellen von Kamerafallen überwacht. Die iranische Justiz wertete dies als Spionage – und Tahbaz verbüßt zusammen mit sieben Kollegen eine zehnjährige Haftstrafe. Der andere Mitbegründer der Naturschutzorganisation, der Soziologe Kavous Seyed Emami, starb nur wenige Wochen nach seiner Verhaftung im Gefängnis.

Tahbaz besitzt die iranische, britische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Ursprünglich wurde er im Rahmen einer Vereinbarung freigelassen, die zwei britisch-iranische Staatsbürger, die Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe und den Ingenieur Anoosheh Ashoori, betraf. Die beiden letztgenannten wurden rasch in ein Flugzeug nach Großbritannien gesetzt, während Tahbaz ins Gefängnis zurückgebracht wurde. Seine Familie steht unter Schock und ist fassungslos.

Tahbaz gehört zu einer immer länger werdenden Liste von Wissenschaftlern, die im Iran wegen Spionage inhaftiert sind. Ihre Lage ist umso prekärer, als die gegen sie erhobenen Vorwürfe und die entsetzlichen Haftbedingungen kaum publik gemacht werden. Unter den Verhafteten befinden sich auch Doppelstaatsbürger wie der Schwede Ahmadreza Djalali, der sich mit der Frage beschäftigt, wie man Krankenhäuser katastrophensicher machen kann, und dem die Todesstrafe droht, oder Fariba Adelkhah, eine französisch-iranische Anthropologin, die am Institut d’études politiques de Paris arbeitet und 2019 verhaftet wurde.

Ein Grund für die Verhaftung von Doppelstaatsangehörigen ist, dass sie als Geiseln benutzt werden, um Zugeständnisse von westlichen Regierungen zu erhalten. Die meisten der inhaftierten Wissenschaftler sind jedoch iranische Staatsangehörige, und ihre Geschichten sind nicht sehr bekannt. Zu ihnen gehört Niloufar Bayani, eine Tierschützerin, die früher für die Vereinten Nationen tätig war. Auch jüngere Menschen sind betroffen, wie Ali Younesi, ein preisgekrönter Informatikstudent an der Sharif University of Technology in Teheran.

Ein neues Buch der Anthropologin Kylie Moore-Gilbert mit dem Titel „The Uncaged Sky“ (Der ungezähmte Himmel) legt die schweren psychischen und physischen Strafen offen, denen sie ausgesetzt sind – insbesondere Frauen. Moore-Gilbert, die sowohl die britische als auch die australische Staatsbürgerschaft besitzt, ist wie keine andere in der Lage, diesen Bericht zu schreiben. Als ehemalige Mitarbeiterin der Universität von Melbourne in Australien reiste sie 2018 in den Iran, um an einer Konferenz teilzunehmen, und wurde am Flughafen verhaftet, als sie sich auf die Rückkehr nach Australien vorbereitete. Sie wurde wegen Spionagevorwürfen zwei Jahre lang inhaftiert, bevor sie letztes Jahr im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen wurde.

Moore-Gilbert verbrachte sowohl mit Bayani als auch mit Adelkhah Zeit im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Sie beschreibt anschaulich, wie die Frauen verhört und gefoltert werden, wie sie sexuell belästigt werden, wie sie gezwungen werden, einige Zeit in Einzelhaft zu verbringen, und wie ihnen die grundlegende medizinische Versorgung verweigert wird. Das ist ein Mittel, um sie zu brechen, damit sie Dinge gestehen, die sie nicht getan haben.

Die Wichtigkeit der öffentlichen Bekanntmachung ist eine zentrale Botschaft. Moore-Gilberts Familie in Australien wurde von ihrer Regierung geraten, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, da dies die Verhandlungen über ihre Freilassung erschweren könnte. Doch wer die Öffentlichkeit meidet, hat für seine Regierung eine geringere Priorität. Moore-Gilbert erinnert sich an ein Telefongespräch mit ihrem Vater, in dem er ihr sagte, dass die Regierung ihr raten würde, zu schweigen. Daraufhin sagte sie: „Dad, hör mir zu – ich habe nicht viel Zeit. Du musst zu den Medien gehen. Sag ihnen, was mit mir passiert ist. Sag ihnen, dass ich verhaftet wurde und dass ich in Einzelhaft gehalten werde und mir Besuche von der Botschaft verweigert werden.“

Der Geiselnahme kann entgegengewirkt werden, wenn die Regierungen mit einer Stimme sprechen, anstatt jeweils bilateral mit dem Iran zu verhandeln. Und ständige Öffentlichkeitsarbeit ist eines der besten Mittel, um Druck auf alle Seiten auszuüben, damit sie handeln.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft muss mehr tun, um ihre Stimme zur Unterstützung der inhaftierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu erheben. Internationale Wissenschaftler sollten sich für iranische Kollegen einsetzen, die nicht die gleiche Redefreiheit genießen wie sie. Erklärungen, Briefe – und sogar die Erwähnung der inhaftierten iranischen Forscher auf Konferenzen und Veranstaltungen – sind Möglichkeiten, den iranischen Forscherinnen und Forschern zu zeigen, dass die globale Wissenschaft an ihrer Seite steht. Die iranische Wissenschaft wird erst dann aufblühen, wenn sich ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sicher fühlen.

Wir, das „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran-Österreich“ und

Iranian Medical Professionals for Human Rights in Iran-Austria“, unterstützen diesen Aufruf an die internationale Wissenschaftsgemeinschaft und weisen auf den Originaltext hin.

Originaltext: Nature 604, 218 (2022) https://doi.org/10.1038/d41586-022-00995-7

Deutsche Übersetzung: Redaktion

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