Brief an Bundespräsident Dr. Van d. Bellen,

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Univ. Prof. Dr. Van d. Bellen,

im Namen mehrerer für Menschenrechte aktiver Österreicher:innen mit iranischen Wurzeln und Mitglieder der Zivilgesellschaft ersuche ich Sie als Angehöriger der Universität Wien um einen Gesprächstermin mit Ihnen persönlich, um mit Ihnen unsere große Besorgnis über die aktuell sehr dramatische Lage im Iran zu teilen.

Seit dem gewaltsamen Tod der jungen Iranerin Mahsa Jina Amini im September geht das iranische Regime brutal gegen Demonstrierende im Iran vor. Dennoch dauern die Proteste der mutigen, vor allem jungen Frauen und Männer ungebrochen an und haben das ganze Land erfasst. Mittlerweile werden die Proteste von allen Bevölkerungsschichten – darunter Schüler:innen, Studierenden, Lehrenden, Journalist:innen, Arbeiter:innen und Menschenrechtsaktivist:innen – in nahezu allen Regionen des Landes getragen.

Die Gewalt der Machthaber und ihrer Handlanger vor allem unter den bewaffneten Sittenwächtern und Milizen eskaliert immer mehr. Seit Beginn der Proteste wurden mehr als 320 Menschen, darunter über 40 Minderjährige, willkürlich getötet und Zehntausende inhaftiert. Vor kurzem wurden die ersten Todesurteile gegenüber mehreren Demonstranten ausgesprochen, unter ihnen ein erst 17-jähriger Jugendlicher.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

wir vermissen als Österreicher:innen mit iranischen Wurzeln eine klare öffentliche Verurteilung der Gewalt des iranischen Regimes gegen ihre eigenen Bürger:innen, wir vermissen eine klare Sprache der österreichischen Bundesregierung und unseres Präsidenten. Wir würden Ihnen gerne die persönlichen Erlebnisse und Sorgen unserer Familien und Freunde im Iran erläutern, damit Sie sich ein ungefiltertes Bild von den Geschehnissen machen können. Vor kurzem hat – nach langem Schweigen – der deutsche Bundeskanzler Scholz sehr deutliche Worte der Verurteilung des iranischen Sicherheitsapparats gefunden und weitere Sanktionen der Europäischen Union und Deutschlands angekündigt. Ein ähnliches Statement halten wir auch in Österreich seitens der Spitze unserer Republik für angemessen und notwendig.

In der Hoffnung auf Ihr Verständnis und mit dem dringenden Wunsch nach einem persönlichen Austausch verbleibe ich mit hochachtungsvollen Grüßen

David Parsian – 13,11,2022