Bis Ende Juni muss im Iran neu gewählt werden. Es besteht wenig Hoffnung auf Veränderung. Ein Plädoyer für die Achtung der Menschenrechte im Iran.
Die Iraner wurden am Montag, den 20. Mai 2024 mit der Nachricht geweckt, dass der Präsident des Landes, Ebrahim Raisi, der Außenminister, Hossein Amir Abdollahian, und weitere Regierungsbeamte bei einem Hubschrauberabsturz in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan ums Leben gekommen sind. Damit verliert das Land in einer besonders kritischen Phase internationaler Spannungen und innenpolitischer Unzufriedenheit mit dem Regime zwei einflussreiche Führungspersönlichkeiten. Mit Raisi verliert es aber auch eine zentrale Figur der Unterdrückung.
Sein Vermächtnis besteht aus einer langen Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und blutigen Hinrichtungen. Seit den ersten Jahren nach der Revolution von 1979 wurde kein hochrangiger iranischer Beamter für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen. Raisi ist eng mit diesem Erbe des Missbrauchs verbunden. Für viele Familien der Opfer steht Raisi ganz oben auf der Liste derjenigen, die für die abscheulichsten Verbrechen der Regierung zur Rechenschaft gezogen werden sollen.
Vor seiner Präsidentschaft blickt Raisi auf eine lange Karriere in der Justiz des Landes zurück und war Mitglied eines vierköpfigen Komitees, das 1988 die Hinrichtung von mehr als 4500 politischen Gefangenen in weniger als zwei Monaten anordnete. Dieses Gremium machte die Standards für faire Gerichtsverfahren zum Gespött, und die daraus resultierenden Massenhinrichtungen sollten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden.
Als Chef der iranischen Justiz und später ab August 2021 Präsident der Exekutive ist Raisi für zahlreiche repressive Maßnahmen verantwortlich, darunter die tödliche Niederschlagung der Protestwelle von 2019 und der landesweiten Demonstrationen unter dem Motto „Frau – Leben – Freiheit“ nach dem Tod von Mahsa Jina Amini im Gewahrsam der Sittenpolizei im September 2022. Er trägt auch eine große Verantwortung für die Hinrichtung von Demonstranten nach unfairen Gerichtsverfahren, die Verfolgung friedlicher Dissidenten und die Durchsetzung des Hijab-Zwangs. Im Rekordjahr 2023 wurden über 800 Todesurteile vollstreckt.
Freie und faire Wahlen sind nicht zu erwarten
Nach der iranischen Verfassung sollten nun innerhalb von 50 Tagen Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Berichten zufolge erwägen die Behörden den 28. Juni als vorläufiges Datum. Freie oder faire Wahlen sind jedoch nicht zu erwarten, denn der iranische Wächterrat ist seit vielen Jahren führend bei der systematischen Entmachtung gewählter Gremien, der Zulassung von Kandidaten und Steuerung von Wahlprozessen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2021 wurde sogar der damalige Parlamentspräsident von der Kandidatur ausgeschlossen.
Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass die iranische Unterdrückungsmaschinerie weit über die Macht des Präsidenten hinausgeht. Wer auch immer von den wahren Machthabern rund um den greisen obersten Führer Khamenei als nächster Präsident vorgesehen ist, wird deren unterwürfige Gallionsfigur sein. Angesichts der internen Proteste, einer katastrophalen Wirtschaftslage, endemischer Korruption und der sich zuspitzenden Spannungen mit Israel erwarten Analysten kaum innen- oder außenpolitische Veränderungen.
Das gilt auch für die Menschenrechtslage. Ohne grundlegende Veränderungen ist davon auszugehen, dass die massiven Menschenrechtsverletzungen auch nach Raisis Tod anhalten werden. Wer für Menschenwürde und Menschenrechte und gegen die Todesstrafe im Iran eintritt, hat noch einen weiten Weg vor sich.
Wenn die Generalversammlung der Vereinten Nationen diese Woche feierlich des Todes von Präsident Raisi gedenkt, ist das nicht nur für die im Iran inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi eine Schande und eine „Feier des Galgens“. In ihrer Kritik aus dem Evin-Gefängnis wirft sie den führenden Politikern der Welt vor, einen Mann zu ehren, den sie als „eklatanten Menschenrechtsverletzer und Henker der iranischen Geschichte, der bis zu seinem Tod ein Instrument der Unterdrückung war“ bezeichnet.